Zur Rolle der Universität in Meinungsdiskursen
13.01.2025
Sehr geehrte Mitglieder und Angehörige der Leuphana,
liebe Professor:innen, Mitarbeitende und Studierende,
aktuell erleben wir vielfältige gesellschaftliche wie politische Entwicklungen, Veränderungen, erschütternde Konflikte und Krisen, die sich teilweise dramatisch auswirken auf einzelne Menschen und auf ganze Personengruppen. Fundamentale innenpolitische wie auch außenpolitische Konflikte, internationale – kriegerische – Auseinandersetzungen werden sowohl in der Öffentlichkeit, der Politik und den Medien als auch an Hochschulen oftmals sehr kontrovers diskutiert. Daraus entsteht vielfach das Bedürfnis, sich an erklärten Positionierungen und Leitgedanken orientieren zu können, sich vertreten zu fühlen und eigene Betroffenheiten abgebildet zu finden. Von Universitäten werden von verschiedenen Seiten immer wieder institutionelle Stellungnahmen erwartet, so derzeit im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und weiteren Angriffen auf Israel seither sowie den darauffolgenden Kriegen in Gaza und dem Libanon, die alle mit einer erschütternden Zahl ziviler Opfer und großen Zerstörungen einhergehen. Dazu zählen auch viele andere Auseinandersetzungen, die hier nicht erwähnt sind. Ähnliche Erwartungen zu Bekenntnissen und Stellungnahmen bestehen auch für aktuelle Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland wie zunehmendem Antisemitismus, Rechtspopulismus, Antiislamismus und andere Formen von Rassismus oder Diskriminierungen.
Grundsätzlich verurteilt das Präsidium den Tod und das Leid unschuldiger Menschen in allen kriegerischen Konflikten sowohl in der Ukraine und in Russland, in Israel wie auch in Gaza und allen weiteren Konflikten in bzw. zwischen anderen Ländern der Erde. Für die Universität drückt das Präsidium ein tief empfundenes Mitgefühl für die unschuldigen Opfer und ihre Angehörigen aus. Ebenso stellt sich die Universität gegen jedwede Form von Diskriminierung.
Das Präsidium ist unabhängig davon überzeugt, dass an Universitäten als akademischen Orten Themen und Herausforderungen nie nur einseitig betrachtet werden dürfen. Universitäten sind vor allem pluralistische Orte der Wissenschaft und Reflexion. Dieser pluralistische Charakter ist ein Grundpfeiler von ihnen als Institutionen, der den freien Austausch von Ideen, Forschungsergebnissen und Positionen ermöglicht und die Voraussetzung für eine lebendige akademische Gemeinschaft schafft. Argumente, Meinungen und Moralvorstellungen, die individuell in der Herkunft, dem persönlichen Erleben oder der Geschichte der Universitätsmitglieder gründen, können dabei vielfältig und auch widersprüchlich sein. Sie dürfen grundlegende, tradierte und dominante Haltungen herausfordern. Gleichwohl müssen sie die Würde und Freiheit der anderen Mitglieder der Universität ebenso wie den Grundsatz der Freiheit in Forschung und Lehre anerkennen und respektieren.
Wir sind entschlossen, als Universitätsgemeinschaft gemeinsam darauf hinzuwirken, Pluralität und Diversität auf unserem Campus zu ermöglichen und zu schützen, sei sie ethnischer, politischer, disziplinärer oder sonstiger Natur. Das erfordert Achtsamkeit und Sensibilität, damit sich alle Universitätsmitglieder ebenso wie Gäste der Leuphana zu jeder Zeit sicher fühlen und wir gemeinsam die schwierigen Herausforderungen adressieren können. Wir laden alle Mitglieder der Universität ein, diese Werte zu leben und gemeinsam daran zu arbeiten, unsere Institution als einen Ort des Dialogs, des Verstehens und der Reflexion zu gestalten. So können wir eine akademische Gemeinschaft schaffen, die nicht nur der Vielfalt Raum gibt, sondern auch die Verantwortung, die mit ihr einhergeht, ernst nimmt. Vor diesem Hintergrund wird das Präsidium der Leuphana bei aktuellen wie zukünftigen Konflikten eine angemessene Zurückhaltung hinsichtlich öffentlicher Stellungnahmen üben. Dies dient dazu, in der Universität zu ermöglichen, dass alle Mitglieder und Angehörige – unabhängig von ihrer Herkunft und politischen Meinungen – ihren Aufgaben in Forschung, Studium, Lehre und Transfer nachgehen können. Dafür pflegen wir in der gesamten Hochschulgemeinschaft eine Kultur der Offenheit und der Sorgsamkeit im Umgang mit unterschiedlichen Meinungen, Überzeugungen und Vorstellungen.
Mit herzlichen Grüßen
Das Präsidium der Leuphana Universität